Sozialkliniken gegen medizinischen Notstand

„Die Masern-Epidemie breche in Griechenland alle Dämme, hieß es im Februar 2018. Hier setzt die Arbeit der Sozialklinik Kalamata an. Deren Ärzte arbeiten ohne Bezahlung, um kostenlos mit Hilfe von Spenden die medizinische Versorgung von Menschen zu gewährleisten, die anderswo keine Hilfe finden oder diese nicht bezahlen können. Und für Kinder, deren Eltern sich eine Impfung nicht leisten können, führt die Sozialklinik Impfungen durch. Bis zu 60 niedergelassene Ärzte behandeln Patienten, die von der Sozialklinik überwiesen wurden, ebenfalls kostenlos.

Sparkurs verschärfte Krise und Armut

Besteht für solche Hilfe weiterhin Bedarf? Das Wirtschaftswachstum von 1,4 % im Jahr 2017 änderte nichts daran, dass seit 2010 die Wirtschaftsleistung um ein Viertel eingebrochen ist und sich die Zahl der Firmen mit mehr als 10 Beschäftigten um fast ein Drittel verringert hat. Immer noch herrscht eine Arbeitslosigkeit von über 20 %. Fast jeder dritte Beschäftigte in der privaten Wirtschaft arbeitet in Teilzeit, für im Schnitt 394 € im Monat. Bis 2009 war Teilzeitarbeit fast unbekannt. Auf Geheiß von EU, Europäischer Zentralbank und IWF wurden seit 2010 Gehälter, Löhne, Renten und Pensionen um bis zu 55 % gekürzt, neue Steuern und Abgaben eingeführt. Es gibt keine Sozialhilfe, nur ein Zehntel der Arbeitslosen erhält noch staatliche Hilfen.

Kürzungen im Gesundheitswesen

Die öffentliche Finanzierung von Gesundheitsleistungen musste Athen zwischen 2010 und 2014 praktisch halbieren.

Tausende Ärzte und Pflegekräfte wurden entlassen, Abteilungen geschlossen, die Gehälter der Ärzte fast halbiert. Die Selbstbeteiligung der Patienten wurde erhöht. 2014 mussten sie mehr als ein Drittel der Gesundheitsausgaben aus eigener Tasche bezahlen, viele mussten sich medizinische Hilfe „sparen“. Die Syriza-Regierung bemühte sich um Verbesserungen und reagierte damit auch auf den öffentlichen Druck der 50 sozialen Krankenstationen und Apotheken. Sie setzte gegen die Gläubiger durch, dass den 2,5 Mio. Menschen ohne Krankenversicherung freier Zugang zu staatlichen Krankenhäusern zugesagt und diesen dafür Zuschüsse gewährt wurde. Doch nicht alle Kranken werden aufgenommen – man braucht eine Sozialversicherungsnummer aus alten Beschäftigungsverhältnissen oder ähnliche anerkannte Dokumente. Die Sozialklinik muss weiterhin denen helfen, die diese nicht vorweisen können, z. B. Bäuerinnen oder Fremdarbeiter*innen – und damit auch deren Kindern. Und immer noch ist die Lage in vielen staatlichen Krankenhäusern dramatisch. Nach Angaben von Beschäftigten sind dort noch Tausende von Planstellen nicht besetzt. Immer wieder fehlen notwendige Verbrauchsmaterialien.

Primärüberschuss und sinkende Ausgaben des Gesundheitsministeriums

2018 muss der griechische Staat einen Primärüberschuss von 3,5 % erwirtschaften – er kürzt u. a. Ausgaben für Krankenhäuser und Zuschüsse für Krankenkassen. Ausgeglichen werden soll dies durch steigende Einnahmen aus den Sozialversicherungen, also von den Versicherten. Doch bereits vier Mio. Steuerpflichtige stehen beim Finanzamt in der Kreide, trotz Kontenpfändungen. Die Aufwendungen der Menschen für Medikamente steigen, immer mehr kommen zur Apotheke der Sozialklinik, weil sie die Zuzahlungen nicht mehr leisten können. Das verfügbare Einkommen ist auch 2017 weiter gesunken: Produkte des täglichen Konsums, aber auch Benzin und Diesel wurden höher besteuert, die Subventionen für Heizöl dagegen halbiert. Die „Soziale Solidaritäts-Beihilfe“ für ärmste Rentner wird bis Ende 2019 stufenweise abgebaut. Viele Griechinnen und Griechen können sich die erhöhte Zuzahlung von 25 Prozent für Medikamente bereits jetzt nicht leisten. Über die Hälfte der Haushalte erklärte, medizinische Beratungen und Therapien aus finanziellen Gründen hinausgezögert zu haben.

Dagegen steht das Netzwerk der 50 Sozialkliniken und -apotheken

Dagegen setzt das Netzwerk der Sozialkliniken und -apotheken das Prinzip der kostenlosen medizinischen Hilfe. 15 soziale Krankenstationen gibt es allein im Großraum Athen, 50 sind es im ganzen Land . Eines davon ist das Ambulatorium in Kalamata, hier auch als Sozialklinik oder Soziale Solidarklinik bezeichnet.

Die Antwort der Solidarklinik auf die verordneten Sparvorgaben war (und ist): „Niemand darf ohne medizinische Versorgung bleiben!“, egal welcher Nationalität sie/er ist oder wie legal der Aufenthaltsstatus ist.